Private Pferdehaltung - Mitverursacher von Depressionen und BurnOut?
Teil 1 Ursachenforschung
Private Pferdehaltung – Mitverursacher von Depressionen und BurnOut?
Teil 1 Ursachenforschung
Gerade zur dunklen Jahreszeit liest man vermehrt in Diskussionsforen rund um die private Pferdehaltung
„… irgendwie wird mir das alles zu viel…“
„… überlege ernsthaft meine Pferde abzugeben…“
„… ich kümmere mich um meine Pferde, aber irgendwie funktioniere ich nur noch, Spaß ist was anderes…“
„ Nach dem Job die Pferde versorgen, misten & Co. Familie, kochen, saubermachen…. und dann?...“ und ganz viele andere und ähnliche Aussagen.
Wenn man solch einen Beitrag liest, heißt es oft als erstes
„… sorry, muss mich mal ausheulen…“
„ … bitte nicht gleich steinigen…“.
Selten fängt er an mit „… brauche mal eure Hilfe / Ratschläge, wem geht es ähnlich…“
Die Kommentare zu solchen Diskussionsgrundlagen zeigen jedoch, dass es vielen so geht.
Nur noch funktionieren, sein tägliches Soll rund um Pferd & Familie erfüllen und dann… nein, nicht reiten. Couch oder Bett ist angesagt. Das was man eigentlich wollte, rückt immer öfter und vor allem weiter in den Hintergrund.
Dazu kommt das schlechte Gewissen seinen Pferden gegenüber, da man meint, sie sind unglücklich, wenn sie nicht bewegt oder bespaßt werden.
Es wird überlegt ein oder zwei Pferde zu verkaufen, damit man „weniger Arbeit hat“. Aber ist man deswegen glücklicher? Bekommt das Pferd wirklich ein gutes zu Hause oder wird es zum Wanderpokal? Kann ich mit ruhigen Gewissen mein/e Pferd abgeben?
Wichtiger Hinweis: Ich meine rein den Arbeitszeit-Aspekt und das eigene Wohlfühlen. Und nicht, wenn es finanziell nicht mehr geht und die Pferde entsprechend drunter leiden, weil man nicht mehr regelmäßig den Schmied oder Tierarzt holen kann oder eher älteres und günstigeres Heu kaufen muss. Das ist eine ganz andere Perspektive und hier nicht Thema!
Betreiben wir mal Ursachenforschung:
Wieso entstehen auch bei dem „schönsten Hobby der Welt“ und „dem Glück auf Erden“ Folgeerscheinungen und Erkrankungen wie Depressionen, BurnOut, Panikattacken, Ängste und Phobien ?
Ein ganz allgemeines Beispiel, wie es sein kann:
Wir haben die Schule und Ausbildung beendet, haben einen festen Job mit einem festen regelmäßigen Einkommen. Familie / Kinder haben wir noch nicht, sind unabhängig und nun können wir uns endlich unseren Traum erfüllen und kaufen uns ein Pferd. Wir sind Einsteller und superglücklich. Der Partner ist inzwischen auch vom Pferdevirus infiziert und kauft sich auch ein Pferd. Zwei Pferde im gleichen Stall, man kann viel zusammen machen, nette Leute sind auch dort.
Nun kann es passieren, dass das Stallklima irgendwann vielleicht nicht mehr stimmt oder die Umstände im Stall sich zum negativen ändern. Es kann auch sein, dass man feststellt, dass ist alles so großartig und so einfach (man hat ja nur den theoretischen Blick und ist nicht 24 Stunden auf dem Hof), wir schauen mal, ob wir das nicht auch allein machen können und unsere Pferde ans Haus holen.
Gesagt – getan: Hof gefunden und gekauft, ausgebaut, Pferde geholt – und glücklich auf Wolke 7.
Langsam fängt der Alltagstrott an. Jetzt ist nicht mehr nach Hause kommen von der Arbeit, zum Stall fahren und Zeit mit seinem Liebling verbringen. Bei eisigem Wind oder ganzen Tag voller Regen und nun aufgeweichtem Paddock auch mal einen Tag nicht fahren, die Pferde sind ja versorgt.
Wir müssen raus, auch wenn die Gummistiefel im Matsch hängen bleiben oder uns die Mücken bei 40Grad zerstechen. Wir müssen raus, auch wenn wir nach einem dieser abartigen Arbeitstage mit Stress eigentlich nur noch auf die Couch oder gar ins Bett wollen.
Es wird so einige Tage geben, wo es heißt: „Heute muss ich endlich mal wieder reiten und Bodenarbeit machen, aber… der Zaun muss repariert werden, das abgegraste Stück Weide muss endlich gemulcht werden, bevor es wieder regnet, der gesammelte Mist muss weggefahren werden… und… und…. und“.
Wir werden so manche Tage unsere „Pflicht erfüllen“, die Pferde kurz streicheln, uns bei ihnen wahrscheinlich noch entschuldigen, dass das heute nichts wird, weil wir „nicht so gut drauf sind“ und ab ins Haus – und mit einem schlechten Gewissen auf die Couch oder ins Bett gehen.
Muss das sein, dieses schlechte Gewissen? Haben wir nicht vom Grundsatz alles notwendige getan, damit es unseren vierbeinigen Freunden gut geht?
Wassertrog ist sauber und gefüllt, Pferdeäpfel sind weg, Offenstall ist auch sauber, Heu in ausreichender Menge ist vorhanden und ggf. haben sie auch noch Auslauf auf der Weide… sie haben alles, was sie benötigen!
Die Ursache des „schlechten Gewissen“ ist unsere eigene Denkweise und unserer eigenen oft zu hoch angesetzten Ansprüche an uns selbst.
- Wir müssen alles perfekt machen! Wir meinen, es perfekt machen zu müssen!
- Wir müssen perfekt sein! Wir meinen, perfekt sein zu müssen!
- Wir müssen es allen beweisen, dass wir es können! Wir meinen, wir müssen was beweisen!
- Wir müssen allem Gerecht werden, den Pferden, der Familie und Freunden! Nein, wir müssen nicht!
- Und uns selbst vergessen wir!
Und nun müssen wir – auf uns selbst achten!
- Ich MUSS nicht !
- Ich WILL
- Ich MÖCHTE
- Ich DARF
- ICH KANN!
Ein MUSS setzt uns unter Druck, haben wir nicht alles geschafft, was wir uns vorgenommen haben, schieben wir auf Morgen. Aber morgen ist wieder das alltägliche plus dem nicht geschafften von gestern und dem neuen MUSS von heute.
In Gedanken ist man mit allem fertig… aber in Wirklichkeit kommt der Punkt, wo man nicht mehr weiß, was mache ich zuerst, was ist wichtig. Das kann irgendwann damit enden, dass man keine Motivation mehr hat, überhaupt anzufangen. Wozu anfangen, ich schaffe es ja doch nicht?!
Schlussfolgerung ist die Überforderung. Eine Überforderung, der man nicht früh genug entgegensteuert, kann im BurnOut enden. Unbehandelt und immer im Alltagstrott weiter leben, ziehen handfeste Depressionen mit den dazugehörigen Begleiterscheinungen wie Ängste, Panik, Phobien nach sich, die sich Stück für Stück unmerklich entwickeln.
Wenn man den Textes etwas umschreibt, hört sich das schon anders an. Wie wäre es mit:
„Wir müssen raus, auch wenn die Gummistiefel im Matsch hängen bleiben oder uns die Mücken bei 40Grad zerstechen. Wir müssen raus, auch wenn wir nach einem dieser abartigen Arbeitstage mit Stress eigentlich nur noch auf die Couch oder gar ins Bett wollen.“
Wie wäre der gleiche Satzinhalt so formuliert:
„Wir wussten vorher, dass auch bei kalten und schlechtem Wetter und an viel zu heißen Tagen die Pferde zu versorgen sind. Ich möchte, dass es meinen Pferden gut geht, die Grundversorgung wird heute gemacht und dann mache ich für mich Feierabend!“
Oder der Satz:
„Heute muss ich endlich mal wieder reiten und Bodenarbeit machen, aber… der Zaun muss repariert werden, das abgegraste Stück Weide muss endlich gemulcht werden, bevor es wieder regnet, der gesammelte Mist muss weggefahren werden… und… und…. und“.
Anders formuliert könnte er so heißen:
„Für heute stehen Reiten, Bodenarbeit, der Zaun, Mist wegfahren und Mulchen auf dem Programm. Was ist am wichtigsten? In den nächsten Tagen soll Regen kommen, also fange ich mit dem Mulchen an, wenn dann Zeit und Lust ist möchte ich noch Bodenarbeitstraining machen. Und wenn die Pferde dann ihr abendliches Heu bekommen und ich noch ganz viel Lust haben, kann ich den alten Zaunpfosten austauschen, ansonsten geht das auch morgen. Auf den Misthänger passt noch was rauf, das kann ich mir locker für Morgen vornehmen“.
Fazit:
Wir haben uns es selbst auferlegt, unsere Pferde 365 Tage selbst zu versorgen. Wenn wir von dem Muss-Gedanken mal umschwenken lernen und auch an uns selbst denken, haben wir schon einen kleinen Schritt in die richtige Richtung getan.
In Teil 2 werden wir uns mit dem Zeitmanagement beschäftigen, damit von dem MUSS wieder ein ich WILL und ich MÖCHTE wird ohne schlechtem Gewissen.
Für eventuelle Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Euer WSR-Team
Erstellt Januar 2021