„Dein Pferd ist ja viel zu dick!“ - „Na und, du auch!“

oder auch

„Mein Pferd ist dick und gesund – deines dünn und krank!“

„Dein Pferd ist ja viel zu dick!“ - „Na und, du auch!“ oder auch „Mein Pferd ist dick und gesund – deines dünn und krank!“


Ein sehr provokanter Titel, das weiß ich! Aber: Ich habe das erreicht was ich wollte: Du fängst an zu lesen.


Aber bitte:
Erst Lesen – dann nachdenken – und nächsten Tag nochmal denken und dann freue ich mich auf ein Feedback

Vorweg:
Wir haben auch so einiges in der Richtung durch – daher weiß ich auch, wovon ich rede – aber dazu am Schluss mehr.


Zivilisationskrankheiten beim Pferd:
Hufrehe, EMS, IR, Atemwegserkrankungen, Magenprobleme, Kotwasser, Mangel an zig Mineralien, usw..

Sind diese und noch viel mehr Krankheitsbilder von der Natur geschaffen (immer mehr Mangel in den Böden) oder durch uns Menschen gemacht?
Diese ganzen teuer zu erwerbenden Mineralienprodukte… was ist da eigentlich wirklich drin? Pulver oder Pellets aus Natur oder Chemie (also künstlich hergestellt)? Habt ihr euch wirklich mal Stück für Stück durchgelesen, was da drin ist und Fremdworte / Fachbegriffe / lateinische Begriffe einmal nachrecherchiert?
Was machen die Pferde in freier Wildbahn?
Es gibt Zeiten mit Frost, Sonne, viel Regen… Sollten wir die Haltungs- und Fütterungsformen uns nicht lieber dort abschauen?
Die Kräuter der Natur mit auf die Koppel sähen, für die Pferde fressbare Bäume und Sträucher pflanzen – denn sie wissen, wann sie was brauchen!

Ich möchte einmal den Vergleich Pferd - Mensch ziehen.
Mein Vergleich ist ohne jegliche Wertung, auf Niemanden bezogen, sondern nur mal so meine Gedankengänge, die mich beschäftigen. Vielleicht kann ich teilweise eure Überlegungen auch anregen, mehr möchte ich nicht!


Folgende Fragen stelle ich mir:

Für das Pferd

  • Muss ein Pferd, was nicht die optischen Traummaße hat, nicht gesund sein, Hufrehe bekommen und sich nicht wohlfühlen?
  • Muss ein Pferd, was 24/7 auf der Koppel steht (und auch Zugang zum Heu hat) zwangsläufig zu dick sein?
  • Muss ein Pferd, was nicht freien Zugang zum Futter hat (egal ob Koppel und/oder Heu) zwangsläufig dünn und gesund sein?
  • Kann es auch sein, dass ein Pferd, was seine Portionen abgewogen vorgesetzt bekommt und dann essen muss „wenn es die Uhrzeit sagt“ vielleicht auch Magenprobleme hat?
  • Kann es sein, dass es für ein Pferd, was sein Heu portionsweise erhält aber ganz viel Mineralien und Zusatzfutter bekommt, gesundheitliche Probleme nach sich zieht? Zufuhr von zu viel Zusatzstoffen ist auch nicht natürlich.
  • Ist es besser einen Heuballen hinzustellen und wenn der alle ist, gibt es einen neuen? Die Pferde stehen – sofern sie nur auf dem Paddock sind – den ganzen Tag an einer Stelle. Okay, mal zum Wasser oder äppeln.
    Oder sollte man sich die Arbeit machen, Heunetze/Säcke stopfen und diese an verschiedenen Stellen verteilen. Die Pferde haben Bewegung und es sollte mindestens immer ein Sack mehr als die Anzahl der Pferde hängen.
  • Warum lese ich immer wieder „… ich möchte eine Entgiftungskur bei meinem Pferd machen, was kann ich da nehmen…“ Da stellt sich mir immer die Frage: Wovon entgiften? Erstmal ein großes Blutbild und ein ausführliches Gespräch mit dem Tierarzt – mit diesem Vorwissen kann man nach Empfehlungen bei Symptome / Problematik xyz fragen.  Dr. Google und Dr. facebook wissen garantiert, wie das Blutbild des betroffenen Pferdes aussieht und hat die ultimative Empfehlung parat.


Als Vergleich zum Menschen:

  • Ist denn ein Mensch, die nicht die Traummaße hat und in Kleidergröße 36 reinpasst, sondern vielleicht eine 42 - 44 trägt oder auch größer zwangsläufig nicht gesund ?
  • Muss ein Mensch, der etwas korpulenter ist zwangsläufig Diabetes bekommen? Viele schlanke Menschen sind kranker als die „mit etwas mehr auf den Rippen“.
  • Nehmen wir auch täglich zig extra Mineralien, Tabletten, Zusatzstoffe zu uns – oder fragen wir erstmal unseren Arzt oder hat er vielleicht anhand eines Blutbildes einen bestimmten Mangel bei uns festgestellt? Wenn ja – warum bei uns so und beim Pferd mal eben „eine Kur“?


Um diesen Vergleich machen zu können, habe ich viel recherchiert, gelesen und verglichen. Und das ist dabei herausgekommen:

Überall liest man zurzeit (z.B. auf facebook in allen möglichen Pferdegruppen) „… mein Pferd hat Hufrehe bekommen, ich weiß gar nicht warum…“ Dann wird ein Bild gepostet und alle stürzen sich auf den Besitzer „…Dein Pferd ist ja viel zu dick, das war ja klar, dass der irgendwann mal Hufrehe bekommt, da bist du selbst Schuld …“

Ist das wirklich so muss? Muss ein Pferd, was etwas mehr auf den Rippen hat, zwangsläufig Hufrehe bekommen?
Keine Frage und kein Zweifel: Es gibt natürlich die Futterrehe wegen EMS / Fettpolster, IR, zu viel Heu, Weide, Zusatzfuttermittel! Das will und kann ich auch nicht „schön reden“

Aber:
Es gibt auch die Stress-Rehe (Freund verstorben, Stallwechsel), nicht zu vergessen die Geburtsrehe, Reaktionen auf Medikamente oder Wurmkur. Diese Pferde haben meist eine „optisch normale Figur“. Bei den dazu geposteten Bilden finden die meisten trotzdem die so gefährlichen Fettpolster.

Fragen ist gut und auch wichtig, Meinungsaustausch betreiben, Erfahrungen sammeln.


Wenn man aber den Fragesteller direkt drauf anspricht, was sagt der Tierarzt, Hufschmied, Therapeut gesagt hat und ob vielleicht auch ein großes Blutbild gemacht wurde, bevor Mineral A und B und auch noch C das Pferd kommt…. sind die Antworten „ …mache jedes Jahr eine Kur…“ Bei der Frage, wofür oder wogegen eine Kur… bekommt man oft keine Antwort.


Woher kommen eigentlich all diese „Neu-Modernen Krankheiten“?

Sehr viele Pferde haben dieses Jahr bereits, bevor überhaupt die Koppelzeit oder gar das Anweiden angefangen hat, mit Hufrehe zu kämpfen gehabt.

Habe das Gefühl, das grundsätzlich bei jedem gezeigten Foto das Pferd zu dick ist (lt. Kommentare! Und nicht meine Meinung!). Wenn man sich dann die Profile der Kommentatoren ansieht…. Da möchte ich manchmal schreiben „Kleidergröße 40 passt dir aber auch nicht ...“

Fotos sind immer eine Momentaufnahme, schräg, gerade, von unten oder oben. Lichteffekte durch Sonne oder Schatten leisten ihr übriges. Wenn man das Pferd in live sehen würde, sieht es wieder anders aus.
Um es auch und vor allem ganz korrekt beurteilen zu können, muss man die Lebensumstände sehen. Wie ist der Stall, Paddock, Koppel…. Wie sieht das Heu aus, was und wieviel bekommt das Pferd wovon und warum diese Menge.

Was noch außer Hufrehe?

Viele klagen auch über Kotwasser, Blähbausch, Koliken… füttern wir vielleicht doch zu viel zusätzlich, was das Pferd nicht braucht – und Magen und Darm wehren sich?

Was ich auch immer wieder feststelle, es wird viel gefragt „… was ist das…“ „ … woher kommt das….“ „…was kann ich dagegen / dafür tun…“.

Wenn dann aber auch noch gleichzeitig käme, „… mein Tierarzt war bereits da, hat mir auch schon alles wichtige erstmal dazu gesagt. Aber bevor ich die Antwort schreibe, wollte ich eure spontane Meinung mal hören…“ das wäre super, denn auch so kann man lernen und vernünftigen Austausch betreiben.

 

So manch einer wird wahrscheinlich mit dem Kopf schütteln und mich für durchgeknallt erklären und sich fragen. wieso ich mich hier so weit aus dem Fenster „ohne fundiertes Fachwissen“ lehne?

Auch wir haben unsere -negativen- Erfahrungen machen müssen, haben viel gelesen, Tierarzt zu Rate gezogen, gefragt, umgestellt, umorganisiert.

Ganz ehrlich: Höre dir 10 Fachleute an, du hast 12 Meinungen
Schmeiße von allem 50% in einen Topf, rühre um und du wirst für dein Pferd persönlich stückweise das Beste herausfinden.

Woher kommen meine „Erfahrungen“?


Wir haben unsere vier Pferde am Haus und waren sehr froh, rd. 1,4ha Koppel zu haben. Pferde gehören auf die Koppel, raus und laufen und fressen, wann sie wollen.

Der ersichtliche Nachteil kam erst später. Wir bekamen Besuch, der ca ½ Jahr nicht da war…. „sag mal, deine Pferde haben ja ganz schon zugelegt…“ Ups, ja / nein / vielleicht… ist mir so gar nicht aufgefallen.
Nein, man sieht seine Pferde jeden Tag und man wird einfach irgendwann „Betriebsblind“.

Also am Abend Fotos der letzten Monate rausgesucht…. Oh Schreck… ja…. Da müssen wir was ändern….
Alles wurde umgestellt: Heu aus Netzen abgewogen, Fressbremse bei zeitlich eingeschränkter Koppel …. Zeitmanagement (Vorteil natürlich bei Pferde am Haus, keine Frage)

Wer unsere „schwangere Auster“ sieht … Mama Shetty, Papa Araber…. stetig dicken Bauch, wird garantiert als erstes denken: Die will uns was erzählen zur gesunden Haltung und Fütterung von Pferden?
Sie ist 24 Jahre und am „Unproportioniertesten“… Lt. Blutbild alles super top in Ordnung, keine Mängel, kein EMS oder IR, nichts….. einfach gesund, aber zu viel auf den Rippen. (Halt nicht Größe 36 sondern bestimmt 44-46)
Fressbremse und Netze sind bei ihr eigentlich kontraproduktiv ist, da sie dadurch zu viel Luft schluckt und noch mehr Bauch hat… Der Unterschied ist gut zu sehen. Vor dem Training und danach… scheinbar hat sie in der Zeit mal wieder ein Fohlen bekommen.

Könnte noch Stunden und Seitenlang weiter schreiben, aber das beim nächsten Mal.


Euer WSR-Team


Erstellt Oktober 2021